Ulrike Stephanie Schulze: Mein Plädoyer zum Abschluss der Anhörungen zum Planänderungsverfahren FFBQ

Mein Plädoyer zum Abschluss der Anhörungen zum Planänderungsverfahren FFBQ

Sehr geehrtes Planfeststellungsgremium, sehr geehrte Vorhabenträger!

In den vergangenen drei Wochen habe ich ausgesprochen viel lernen können. Da ich in diesem Punkt sehr strebsam bin, erfüllt mich eine gewisse Dankbarkeit, dass ich an dieser lehrreichen Veranstaltung habe teilnehmen dürfen:

Ich habe zum Beispiel lernen können, dass es – anders als von mir angenommen – für die Feste Fehmarnbeltquerung, ein Milliardenprojekt dieser Größenordnung, diesen riesigen Eingriff in die Natur, gar keine Planrechtfertigung geben muss. Verkehre, die es nicht gibt, werden mithilfe veralteter Zählungen prognostiziert, wobei es dabei gar nichts ausmacht, ob man dabei auf eine Statistik aus dem Jahr 2002 zurückgreift und den Fehler der ohnehin standardmäßig zu hoch angesetzten Zahlen weiter fortschreibt! Für das Jahr 2015 arbeiten Sie also mit Schätzungen aus 2002 – mir war gar nicht klar, dass so etwas erlaubt ist, und mir war obendrein nicht klar, dass es jemanden geben könnte, der sich sowas traut!! Aber ja, doch, es gibt jemanden: die Zweieinigkeit aus den Vorhabenträgern Femern A/S und dem LBV-Lübeck!

Wie überschätzt jedoch auch immer Ihre Prognosen sein mögen – die Zahlen belegen dennoch nur eins, nämlich die völlige Überflüssigkeit Ihres vollkommen überdimensionierten Verkehrsprojektes! Denn mit täglich nur ca. 2200 prognostizierten PKW und 400 LKW Zuwachs lässt sich keine Begründung für ein Projekt dieser Größe finden! Und das übrigens weder mit noch -erst recht nicht – ohne die Verkehre, die über die jetzige Fährverbindung der Scandlines Puttgarden-Rødby fließen (und die Sie sich ja in Ihrer Kalkulation bereits „zu 100% zugeschlagen“ haben, obwohl die Fährverbindung erhalten bleiben wird; da zitiere ich Sie selbst, lieber Vorhabenträger!)

Mit der Deutschen Bundesbahn, dem dritten Vorhabenträger im Bunde, befinden Sie sich ja in guter Gesellschaft; JENE wiederum versucht uns mit Lärmsimulationen aufgrund falscher Vorannahmen zu täuschen. Man betont uns unwissenden betroffenen Bürgern gegenüber, die Güterzüge würden mit 90 km/h durch unsere schöne ostholsteinische Landschaft rattern – während doch die Tabellen des Vorhabenträgers selbst aufzeigen, dass ganz real mit Geschwindigkeiten von 140 km/h zu rechnen ist! Die gesetzlich vorgeschriebene und einzuhaltende 49 dB(a)–Isophone wird jedoch nicht gemessen, sondern anhand der theoretisch angenommenen Werte errechnet!

Dabei habe ich doch zuvor auch gerade gelernt, dass die Güterverkehre abnehmen werden, und zwar etwa um ein Viertel (diese Angabe kommt vom Vorhabenträger selbst); es ist hier ganz und gar unmöglich, den Bedarf nach einer neuen Eisenbahnverbindung HH-København zu erkennen! Die von Ihnen zum Zeitpunkt des Staatsvertragsabschlusses prognostizierte Anzahl von 150 durchfahrenden Zügen haben Sie inzwischen schon auf 79 korrigieren müssen.

Ein privater Investor würde an dieser Stelle aufmerksam werden und das Projekt canceln. Aber mit den Geldern von uns europäischen Steuerzahlern (ich zahle Steuern auf deutscher und dänischer Seite) lässt sich ja ungeniert haushalten: Wenn es teurer wird als schöngerechnet, fließen die Gelder nach (keine Regierung lässt einen halben Tunnel in der Ostsee liegen)… Wenn unerwartete Ereignisse auftreten, werden die Bauunternehmer in die Pflicht genommen (ja, auch das habe ich von Ihnen gerade gelernt, aber so eine Baufirma ist übrigens überraschend schnell insolvent)!

Außer über großzügig prognostizierte Verkehre, herunterargumentierte Lärmimmissionen, erheblich variierende Angaben zu den Bauzeiten werden u.v.a. auch Aussagen zu den in Zukunft trotz eines Tunnelbaus angeblich unveränderten Fließgeschwindigkeiten der Ostsee getroffen („Die Ostsee verändert sich nicht, egal, ob wir einen Tunnel in ihr versenken oder nicht“), zu Sedimenten, die ohnehin schon natürlicherweise vorhanden seien und aufgrund dessen über eine Sedimentverdriftung im Zuge des Bauprojektes nicht weiter diskutiert werden müsse, sowie viele weitere nicht belegte Behauptungen und Ungenauigkeiten dieser und jeder Art. Die eine oder andere FFH-Verträglichkeitsstudie lassen Sie unter den Tisch fallen und über die lange vor Baubeginn bereits explodierenden Kosten treffen Sie lieber erst gar keine Aussage…

Besonders interessant fand ich auch die Beprobung des Tunnelaushubs: Erst gaaanz viele Proben nehmen zu wollen und dann gar keine mehr! Diese Aussage hat zu einiger Belustigung beim häuslichen Abendessen gesorgt, aber ich habe dann meine Kinder zur Ordnung gerufen und ihnen erklärt: Ja, so macht man das in der Verzahnung als öffentlicher und privater Großauftragnehmer: Je mehr Steuermilliarden im Spiel sind, desto weniger Regeln muss man beachten!! Man darf sich über die Wissenschaft lustig machen und sich über sie erheben; man kann offensichtlich Vieles, wofür es Gesetze gibt, großzügig übergehen; man kann markig behaupten, es lägen Gutachten vor, wo doch beim besten Willen gar keine aufzufinden sind!

Wäre der Vorhabenträger einer der Doktorarbeitskandidaten, dessen Arbeit ich Korrektur lesen würde, so sähe mein Urteil folgendermaßen aus:

Das kann nichts werden! Zurück ins 2. Semester und Anfängerkurse belegen!

An Sie, die Sie die Vorhabenträger sind, habe ich keine einzige Frage mehr, denn ich habe zu aufschlussreichen Erkenntnissen gelangen können.
An Sie jedoch, sehr verehrtes Planfeststellungsgremium, habe ich eine Frage: Sie haben sich ein Bild von der Sachlage machen können. Merken Sie, wie wir hier als redliche Bürger und Steuerzahler im großen Stil verschaukelt werden sollen? Merken Sie das?
Dem Appell meiner Vorrednerinnen und Vorrednern möchte ich mich anschließen: Haben Sie den Mut, die Planfeststellung negativ zu bescheiden, damit eine Basis gegeben ist, den überholten Staatsvertrag zwischen Deutschland und Dänemark zu lösen!

Ulrike Stephanie Schulze gegen die FFBQ und von der geplanten Hinterlandanbindung direkt Betroffene

2 Gedanken zu „Ulrike Stephanie Schulze: Mein Plädoyer zum Abschluss der Anhörungen zum Planänderungsverfahren FFBQ“

  1. Frau Schulze hat einerseits Recht. Auf der Grundlage der vorliegenden Antragsunterlagen der Femern A/S kann ein Planfeststellungsbeschluss nicht erlassen werden. Das bedeutet aber andererseits auch nicht, dass letzterer unmöglich wäre. Die Planfeststellungsbehörde könnte immer noch die eingereichten Unterlagen für nicht genehmigungsfähig erklären und die Vorhabenträgern zu deren gründlichen Überarbeitung auffordern. Die Einwender haben dies mit ihrem Antrag auf Durchführung eines zweiten Planänderungsverfahrenson vom LBV-SH verlangt. Ob die Behörde jedoch den Mut zu einem so weitgehenden Schritt angesichts dessen politischer Implikationen gegenüber der Landesregierung und Dänemark haben wird, kann stark bezweifelt werden. Rechtlich gesehen muss die Behörde ohne Einmischung bzw. Druck seitens der Landesregierung neutral und fachbezogen entscheiden. Die Handhabung des ersten Planänderungsverfahrens gibt diesbezüglich jedoch zu erheblichen Zweifeln Anlass, ob diese Voraussetzung erfüllt ist.
    Es wird also noch sehr, sehr spannend!

  2. Eine sehr schöne und sehr gute Zusammenfassung! Wenn das Anhörungsverfahren ernst genommen würde von der Behörde und allen Vorhabensträgern und diese auch noch lernfähig wären, müsste ihnen eigentlich ihr totales Scheitern bewusst werden.

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