An Verantwortliche im Bereich Verkehr und Umwelt in der Europäischen Union

Wolfgang Debus, Kastanienweg 18, D23738 Lensahn, 04363 919240, debuswolfgang@arcor.de

An Verantwortliche im Bereich Verkehr und Umwelt in der Europäischen Union

Sehr geehrte Damen und Herren,

Mit großer Sorge verfolge ich einen Teil der wirtschaftlichen und bautechnischen Entwicklungen in Europa. Vor allem bei den Großprojekten verhalten sich und handeln die Verantwortlichen aus Wirtschaft und Politik so, als ob es weder einen Klimawandel noch Schuldenberge für und in den betroffenen Ländern geben würde. Zu meiner Person: Ich bin in Deutschland aufgewachsen, fühle mich aber durchaus als Weltbürger verpflichtet und sehe in der Entwicklung eines übernationalen Europas gute Chancen für eine erfolgreiche kulturelle  Entfaltung, für die Schaffung sozial tragfähiger Verhältnisse und für eine Wirtschaft, die rücksichtsvoll und mit nachhaltigen Verfahren auch kommenden Generationen Lebensqualität erhalten kann. Ich bin 1942 geboren und durch ein reichhaltiges Familien- und Berufsleben schon früh zu einem Denken veranlasst worden, welches über die Grenzen der eigenen Region und des eigenen Fachinteresses hinausgeht. Erst seit wenigen Jahren habe ich Zeit gefunden und fühle mich deutlicher veranlasst, mich mit  praktischen Aufgaben der Politik zu befassen. Ich bin trotzdem bis heute nicht besonders gut in den politischen Strukturen, Verfahrensweisen und Regeln bewandert. Dieser Umstand  und ein ausreichendes Auskommen versetzen mich aber in die Lage, mein Denken und Handeln nur nach meinem Wissen und Gewissen auszurichten. Anders als die meisten von Ihnen habe ich keinen Job, kein Geld und keinen Ruf zu verlieren, wenn ich die Dinge beim Namen nenne und kompromisslos handle. Ich bin Mitglied in der „Allianz gegen eine feste Fehmarnbeltquerung“, bin  tätig im Friedenskreis Eutin und bei „ausgestrahlt“, einer größeren Initiative gegen den Betrieb von Atomkraftwerken, inzwischen erweitert  auf den Bereich der Energiewende allgemein. Ich bin bekennender Christ, Musiker und Familienvater.

Diese kurze Skizze meines Hintergrundes mag meine unmissverständliche Haltung für die Probleme, die ich im Folgenden schildere, erklären und ist sicher mitverantwortlich dafür, dass ich weder fachspezifische, noch ausschließlich regionale, noch kurzfristige Argumente und Blickrichtungen benutze. Es geht in der heutigen Politik, die aus den großen Würfen der nationalen und übernationalen Parlamente und Regierungen, gleichwie aus den alltäglichen Handlungen eines jeden einzelnen Menschen gestaltet wird, um eine konsequente Umsetzung der Erkenntnisse, die uns heute zur Verfügung stehen. Das heißt, dies wäre die eigentliche und richtig verstandene Aufgabe der Politik. In der tagtäglichen Wirklichkeit des politischen Geschehens jongliert aber nahezu Jede und Jeder um diese Verpflichtung herum und versucht seine Schäfchen ins Trockene zu bringen. Für viele Beteiligte ist das der Kampf um Arbeitsplatz und Lebensunterhalt. Wir wissen aber, dass Menschen an den verantwortlichen Schaltstellen im Allgemeinen nicht mit einer Grundsicherung zufrieden sind. Prestige, Macht und ein unstillbarer Hunger nach materiellem Besitz gebiert immer neue Großprojekte, deren Sinn der Bevölkerung zwangsverordnet werden muss, und deren Kosten unplanbare Summen erreichen. Inzwischen sind unseriöse Abwicklungen vor allem bei großen Projekten Normalität. Da Politik und Wirtschaft eine feste Symbiose eingegangen sind, in der die Rollen, die Ämter und die Menschen beliebig vertauscht werden können, kratzt auch keine Krähe der anderen ein Auge aus. Einige wenige Idealisten werden rasch von der Wirklichkeit verschluckt. Und ein Heer von Trittbrettfahrern wartet darauf, sich nach den Krümeln zu bücken, die vom reich gedeckten Tisch der Großen fallen.

Aus dem dramatisch ansteigenden Rückgang der Artenvielfalt, den sichtbaren Folgen der globalen Erwärmung und den Auswirkungen der Verachtung der Menschenwürde ergeben sich kaum noch übersehbare Forderungen für ein Umdenken und ein Umschwenken unserer Gestaltungsarbeit an der Erde und im menschlichen Zusammenleben. Die Horror-Szenarien, die bereits teilweise Wirklichkeit geworden sind und die, welche uns noch erwarten könnten, sind möglicherweise bekannt und sollen hier nicht weiter ausgeführt werden. Aus allen Sackgassen und Einbahnstraßen, die wir oft genug nur mit Scheuklappen befahren wollen oder können, will ich nur wenige Beispiele anführen, die notwendig oder hilfreich sind, Ihnen mein Anliegen und meine Forderung mit der Bitte um eine kompromisslose Unterstützung nahe zu bringen, das Projekt der festen Fehmarnbeltquerung zu verhindern, da dieses Projekt, wie es bisher geplant ist, die betroffenen Menschen und die Umwelt unzumutbar schädigt und belastet. Sackgassen-Beispiel: Das Wunder-Metall Aluminium, mit Recht aus technischer Sicht hochgelobt, bewirkt dort, wo es gefördert, aufbereitet, verarbeitet und benutzt wird, gesundheitsschädliche bis tödliche Folgen für Mensch und Tier. Ähnliche Kausalketten ergeben sich in vielen Bereichen unseres technischen Fortschritts: unbeherrschbare Atomkraft, Biosprit aus Palmenplantagen in Kolumbien, Gas- und Erdölgewinnung durch Fracking und Chemie, Rosenzüchtung in Kenia, Handy-Produktion und damit zusammenhängende Rohstoffgewinnung, Kleiderherstellung in Asien , Überfischung der Meere , Waffenproduktion und Waffenhandel, Abholzung des Regenwaldes, Genmanipulation und viele weitere Beispiele, die immer nach einem ähnlichen System ablaufen: Mächtige Wirtschaftsunternehmen nehmen sich die Aufgaben vor und planen und führen sie aus mit der Zustimmung und Unterstützung von Politik und Banken. Risiken, Verschmutzungen, Verschwendung und die Lohnpyramide – oben Millionengewinner, unten Loser, die bei Einsatz ihrer Gesundheit oft nicht einmal ihre tägliche Nahrung finanzieren können – sind übliche Merkmale bei Unternehmen der modernen Industriegesellschaft. Und konnte man vor 50 Jahren noch mit einer gewissen Berechtigung von Bedarfsdeckung sprechen, geht es heute um Bedarfsweckung mit ausgeklügelten Werbemethoden, damit weiteres Wachstum, also weitere Einnahmesteigerungen gesichert sind. Wachstum im industriellen Bereich heißt aber: Zerstörung der Lebensgrundlagen. Das bedeutet nichts anderes als: Der technische Fortschritt, der lange Zeit im Einklang mit der Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschheit gelten konnte (er hat natürlich immer schon seine Opfer gefordert), ist in seiner Überdimensionierung zum Todfeind der Schöpfung herangewachsen. Die Lügen vom Wirtschaftswachstum, von der freien Mobilität und vom Fortschritt offenbaren sich an vielen Beispielen. Die Grenzen dieses Wachstums im industriellen Bereich, die Unmöglichkeit absolut freier Mobilität und die Fragwürdigkeit vieler Entwicklungen, die als Fortschritt deklariert werden, sind inzwischen alltägliche Erscheinungen und unübersehbar geworden. Ich nehme aber an, dass Ihnen diese Dinge ausreichend bekannt sind. Was bedeutet, dass ich mich fragen muss, warum Sie Ihre Verantwortung, die ja doch über das Projekt hinausgehen sollte und eine allgemeine Verantwortung für den Erhalt der Lebensgrundlagen auch folgender Generationen mit einschließen muss, warum Sie diese Verantwortung nicht ernst nehmen? (Wobei ich durchaus berücksichtige und achte, dass die Vorhabenträger der festen Fehmarnbeltquerung sich große Mühe geben, eine Menge größtenteils seriöser Gutachten erstellen zu lassen, um den berechtigten Sorgen entgegen zu kommen. Wenn aber die Interpretationen der Ergebnisse letztlich nur dazu dienen, das Projekt gefällig erscheinen zu lassen, erscheint ihr Wert fragwürdig.) Die feste Fehmarnbeltquerung gehört nicht nur zu den unsinnigen und (der Bevölkerung von Wirtschaft und Politik) aufgezwungenen Großprojekten in Europa, wie Wissenschaftler kürzlich auf einem Kongress in Stuttgart einleuchtend ausgeführt haben. Das Projekt schlägt alle Erkenntnisse über ein zeitgemäßes und menschengemäßes Transportwesen in den Wind, das heute nur noch in Übereinstimmung mit den Ergebnissen aus der Umwelt-, Klima-, Gesundheits- , Energie- und Ressourcen-Forschung verändert, erweitert und betrieben werden darf. Die Gutachten für den Tunnelbau und für die Hinterlandanbindung auf deutscher Seite, soweit sie im Verfahren bisher veröffentlicht wurden, weisen jegliche Bauarbeiten und den geplanten erweiterten Betrieb als unverträgliche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt zurück. Viele tausend Seiten von Begutachtungen und Beschreibungen sind zu einem großen Teil sicher in der besten Absicht und sorgfältig geprüft verfasst worden, um bisher begangene Fehler im Umgang mit unseren Lebensgrundlagen zu vermeiden. Sie werden aber nicht ausreichend objektiv, sondern am vorgegebenen Ergebnis orientiert gelesen und interpretiert. Auch wurden eine Menge von Auswirkungen des Projektes überhaupt nicht berücksichtigt. Wir kommen heute nicht an der Erkenntnis vorbei, dass jede weitere industrielle Produktion, jeder zusätzliche Energieverbrauch und jede Erweiterung von Transportwegen Zerstörungen an unserer Gesundheit und unserer Umwelt anrichten, die weit über den regionalen Bereich hinausgehen. Es ist nicht nur der Schweinswal, dessen Existenzbedrohung durch den Tunnelbau berücksichtigt werden muss. Es ist auch der Eisbär, und es sind viele weitere Tiere weit über den Ostseeraum hinaus bedroht, weil wir mit unserem unersättlichen Spieltrieb und der Respektlosigkeit vor den Gesetzmäßigkeiten der Schöpfung von jedem Punkt der Erde jede andere Region auf der Erde beeinträchtigen. Außerdem ist unsere industrielle Zivilisationsgesellschaft inzwischen darauf fixiert, dass unsere Hauptwerte in der industriellen Produktion, in der Fertigung, im Konsum und im Transportwesen und in dem dazugehörigen Finanzwesen zu finden sind. Entsprechend gewürdigt wird diese Einstellung in den Entlohnungen und in den Subventionen für entsprechende Projekte. Dass aber menschenwürdige, umweltfreundliche, klimaneutrale und nachhaltige Arbeitsbereiche auch Wirtschaftsbereiche sind und heute die besseren Garanten für einen wirklichen Wohlstand sind, ist  für die technisch orientierte Wirtschaftswelt schwer einzusehen. Was in Bauprojekte investiert wird – an Geld, Arbeit und Abbau der Lebensgrundlagen – geht den nachhaltigen Wirtschaftsbereichen Bildung, Kultur, Gesundheitsfürsorge und Tätigkeiten im sozialen Bereich verloren. Aus all diesen Gründen sind inzwischen die Menschen weit über den Bereich und die Region hinaus betroffen,wenn ein industrielles Projekt gebaut oder verändert wird. Der dritte Vorwurf fehlender Rücksichtnahme gerade bei diesem Projekt betrifft die Vernachlässigung des Bestehenden: Es sollen Mittel in einer Größenordnung eingesetzt werden, von denen ein Bruchteil ausreichen würde, um die Pflege und sinnvolle Ertüchtigung der regionalen Infrastruktur und der bestehenden Verkehrswege sicherstellen zu können. Die Mittel zu diesem Zweck eingesetzt, würden Arbeitsplätze weit sicherer und langfristiger stärken. Und sie würden die sinnvoll gestaltete und mühevoll aufgebaute Wirtschaft in der Region unterstützen. Das ist das, was die Region braucht. Nicht eine Lärmtrasse mit unglaubwürdigen Versprechungen von Arbeitsplätzen und einem unsicheren wirtschaftlichen Aufschwung, der die noch einigermaßen intakte Erholungslandschaft nur beeinträchtigen kann. Wir brauchen einen ordentlichen und logistisch gut aufgebauten öffentlichen Nahverkehr, heile Fahrradwege und Straßen, Subventionen für nachhaltige regionale Betriebe, für die ökologische Landwirtschaft, für den weiteren Ausbau und die Pflege von Naturschutz- und Erholungsgebieten, für Bildung, Kultur, Altenpflege und Jugendarbeit. Wir brauchen keine durchrasenden Güterzüge, keine Hochgeschwindigkeitsstrecken, keine Nachtzüge, keine durchlaufenden Atommüll- oder andere Gifttransporte, keinen toxischen Klärschlamm aus Holland für unsere Felder, keinen uranhaltigen Dünger aus Marokko, keine asiatischen Billigprodukte oder andere unsinnige Konsumartikel, die von entfernten und entferntesten Orten herangeschafft werden. Wir brauchen keine neuen Vergnügungsparks. Wir brauchen keine neuen Industriezentren, keine Rangierbahnhöfe für Transporte unsinniger, überflüssiger oder gefährlicher Güter, die nach Nordeuropa oder Sizilien gehen… Die bisherige Planung der festen Fehmarnbeltquerung mit ihren Hinterlandanbindungen kann in ihren technischen Details durchaus auf der Höhe der Zeit sein, falls die Mittel  dafür eingesetzt werden. In den sozio-ökologischen Grundlagen der Planung ist sie zur Zeit auf dem Stand der Mitte des letzten Jahrhunderts stehengeblieben: Hochgeschwindigkeiten, die Energiefresser sind und logistisch kaum eingehalten werden können, ein Transportsystem, das alle Wünsche bedient – ohne Abwägung oder Beschränkungen nach modernen Erkenntnissen von Energieeffizienz und Klimaschonung, ein Tunnel, dessen Bewerbung über die physischen und psychischen Beeinträchtigungen der Durchfahrenden hinwegtäuschen will, und nicht zuletzt Umweltverträglichkeits-Studien, deren Interpretation realitätsfremd sind, weisen diese Planung als überholt oder bewusst irreführend aus.

Es ist durchaus – nach meiner Ansicht – nicht notwendig, für ein sinnvolles Transportkonzept, das in jeder Richtung ausgewogen gestaltet wird und heutigen Anforderungen, wie sie oben beschrieben wurden, genügt, mit einer positiven Kosten-Nutzen-Berechnung zu legitimieren. Wenn diese Strecke dazu dient, den Verkehr nach den ökologischen Erfordernissen zu verändern, darf sie auch etwas kosten. Nach der jetzigen Planung wird sie aber diesen Ansprüchen nicht genügen. Und das hier angewandte, inzwischen überholte Kosten-Nutzen-Verhältnis geht in seiner Berechnung nur von den Baukosten, den Betriebskosten und den zu erwartenden Einnahmen aus.     Die Prognose lässt zwei Möglichkeiten: Entweder bleibt die Nachfrage, d.h. die Dichte des Verkehrs hinter den berechneten Erwartungen zurück, dann wäre das wenigstens für die Betriebsphase ein ökologisch vertretbares Ergebnis. Aber der Tunnel würde sich nicht refinanzieren. Die andere Möglichkeit ist – und das scheint mir wahrscheinlicher: die neue Strecke generiert neuen Verkehr. In diesem Fall kommen wohl genügend Gelder für die Amortisation und den Betrieb zusammen. Aber ökologisch und gesundheitlich wäre das eine Katastrophe. Wie bei anderen Großprojekten (das unrühmlichste Beispiel sind hier die Atomkraftwerke) bleiben sowohl sichere wie auch mögliche Folgekosten für Mensch und Umwelt unberücksichtigt. Eine solche Kosten-Nutzen-Berechnung ist auch beim besten zu erwartenden Ergebnis unkorrekt, eine grob fahrlässige Täuschung.

Es ist begreiflich, dass die Menschen, die mit solchen Projekten ihr Geld verdienen, um die Erhaltung und die Legitimation ihres Arbeitsplatzes kämpfen – allen voran Deutsche Bahn AG und Femern A/S, aber auch alle, die sich ein Stück vom Kuchen erhoffen, ob Baufirmen, Zulieferer oder Versorgungsbetriebe. Dass sich diese Menschen das Recht herausnehmen und sie die Macht dazu haben, anderen Menschen ihre Lebensgrundlagen streitig zu machen, ist mit einem zeitgemäßen Verständnis demokratischen und menschenwürdigen Umgangs nicht zu vereinbaren. Es ist lediglich eine andere Art der Ausübung des Faustrechts, nicht christlich und nicht menschenwürdig. Um die Verantwortlichen von der Unverantwortbarkeit dieses und ähnlicher Projekte zu überzeugen, ist es notwendig, eine offene, faire aber auch deutliche, die Wahrheit nicht scheuende Diskussion zu führen. Diesem Ziel soll dieser Brief dienen. Unsere Kinder und Enkel erwarten, der gesamten Schöpfung sind wir es schuldig, dass wir um die  Erhaltung der Lebensgrundlagen kämpfen, nicht selten gegen unsere subjektiven Interessen.

Überdenken Sie bitte Ihre Verantwortung.

Mit freundlichen Grüßen und Wünschen für eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit! Und für ein Jahr 2014, das uns im gegenseitigen Verständnis weiterbringen möge!                                                                                                                              Wolfgang Debus

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